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Edler Wilder

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Der Edle Wilde ist ein Idealbild[wp] des von der Zivilisation unverdorbenen Natur­menschen[wp]. Das Konzept drückt die Vorstellung aus, dass der Mensch ohne Bande der Zivilisation von Natur aus gut sei. Er ist bis heute ein beliebter Topos[wp] kultur­kritischer[wp] Autoren. In der modernen Ethnologie[wp] gilt der Begriff der Edlen Wilden als längst überholte These.[1]

Nach der europäischen Entdeckung[wp] und Eroberung Amerikas hatte dieser Gedanke einigen Zulauf, den besonders Alonso de Ercilla y Zúñiga[wp] in seinem Epos La Araucana[wp] (um 1570) ausdrückte. Hundert Jahre später griff John Dryden[wp] diese Idee wieder auf, und insbesondere in der Romantik[wp] fand diese Vorstellung erneut Anklang. Der Philosoph Jean-Jacques Rousseau[wp] ist einer ihrer prominenten Vertreter.[2]

Zitat: «Es ist denktheoretisch möglich, dass jemand vergleichsweise arm dran und dennoch gefährlich ist. Das Märchen vom "edlen Wilden", dieser Wohlfühl­rassismus der Guten, ist eben das: ein Märchen. Der aufgeklärte Mensch erkennt und benennt das ethische Dilemma, um dann an dessen Auflösung zu arbeiten.» - Dushan Wegner[3]


Das Lied "Cortez the Killer" von Neil Young[wp], welches vom Rolling Stone Magazin[ext] auf Platz 321 der besten Songs aller Zeiten gewählt wurde, beinhaltet folgende Textzeilen:

Am Ufer lag Montezuma[wp]
Mit seinen Kokablättern und Perlen
In seinen Sälen wunderte er sich oft
Über die Geheimnisse der Welt.
Und die Frauen waren alle schön
Und die Männer standen aufrecht und stark
Sie gaben Leben als Opferungen
Damit andere weiterleben konnten.
Und seine Untertanen versammelten sich um ihn
Wie die Blätter um einen Baum
In ihren Kleidern aus vielen Farben
Damit die erzürnten Götter sie sehen würden.
Haß war nur eine Legende
Und Krieg war niemals bekannt
Die Menschen arbeiteten zusammen
Und sie hoben viele Steine.(1)

Was in Neil Youngs[wp] Song von 1975 zum Ausdruck kommt, ist eine romantische Vorstellung von Natur­völkern[wp], wie sie sicherlich auch heute noch in den Köpfen vieler Menschen existiert. Erfolgreiche Filme wie zuletzt "The New World"[wp] oder "Avatar"[wp], und schon ältere Klassiker wie "Der mit dem Wolf tanzt"[wp], sind Ausdruck dieser Verklärung des Lebens von Naturvölkern. Es heißt, sie würden im Einklang mit sich, ihren Nachbarn und der Natur leben, während der Stadt­bevölkerung der westlichen Welt jegliche Beziehung zur Natur und interner sozialer Zusammenhalt verloren­gegangen seien, was zu allerlei sozialen Konflikten, individuellen Depressionen, Selbstmord, Kriminalität aller Art, Mord und Krieg führen würde. Diese Vorstellung ist alles andere als neu.

Schon antike Denker wie Aristophanes[wp] und Tacitus[wp] drückten dergleichen aus. Aber erst im 18. Jahrhundert gewann diese Sichtweise enorm an Bedeutung. Durch die zunehmende Verstädterung traten soziale Konflikte deutlicher ans Tageslicht. Der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau[wp] führte den Begriff des "Edlen Wilden" zu jener Zeit in den allgemeinen Sprach­gebrauch ein. Hand in Hand mit dem Bild von der harmonischen Geselligkeit des "Wilden" ging aber auch die Vorstellung vom Untermenschen, der eher einem Affen oder einem Ungeheuer gleiche. Rousseau gründete sein berühmtes Portrait des "Edlen Wilden" zum Beispiel auf die Beschreibung eines Orang-Utans.(2)

Mit dem expandierenden Kolonialismus im 19. Jahrhundert kam der Westen in engsten Kontakt mit einer Vielzahl fremder Kulturen und Lebens­weisen. Einflußreiche Forscher wie W.H. Morgan, Henry Maine[wp], Max Weber[wp] und nicht zuletzt Karl Marx[wp] bescheinigten dem neuen Stadt­menschen einen Verlust seines harmonischen Sinns für die Gemeinschaft, den sich die Naturvölker noch bewahrt hätten. Anthropologen und Ethnologen studierten primitive Gesellschaften, die oft isoliert von den Einflüssen fort­schritt­licherer Kulturen für Hunderte von Jahren vor sich hinexistiert hatten. Ihre Berichte fügten sich in das idealisierte Bild der Naturvölker. So schrieb Jane Belo zum Beispiel über die Balinesen[wp]: "Die Säuglinge weinen nicht, die kleinen Jungen balgen nicht, die jungen Mädchen benehmen sich mit Anstand... Jeder erfüllt die ihm über­tragende Aufgabe voll Respekt für die ihm Gleich­gestellten und die ihm Über­geordneten und mit Sanftheit und Rück­sicht­nahme für die von ihm Abhängigen."(3) Dieser harmonische Zustand soll einst in allen menschlichen Gesellschaften geherrscht haben. Der Anthropologe Robin Fox[wp] beschrieb die Umwelt der Menschheit in der Steinzeit als eine, in der "...eine Harmonie der Merkmale, die wir als Spezies entwickelt hatten, einschließlich unserer Intelligenz, unserer Einbildungs­kraft, unserer Gewalt­tätigkeit, unserer Vernunft und unseren Leiden­schaften bestand. Diese Harmonie haben wir verloren."(4)

Durch die fortschrittlichen antirassistischen Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts überkam man die Ansicht, Angehörige von Naturvölkern seien in irgendeiner Form "Untermenschen". Was blieb vom Bild des "Edlen Wilden" war lediglich das Edle, das harmonische Zusammenleben. Möglicherweise wurde auch ein Teil der Vorstellung vom "Edlen Wilden" auf die Tierwelt projiziert. Jane Goodall[wp] und ihre vermenschlichten, verklärten "Gorillas im Nebel" mögen hier als Beispiel dienen. Auch der Film "Instinkt"[wp] mit Anthony Hopkins[wp] zielt in die gleiche Richtung.

Wenn die Anthropologen des 19. und 20. Jahrhunderts primitive Gesellschaften vorfanden, die offensichtlich nicht in völliger Harmonie lebten, schrieben sie diesen Zustand den desorganisierenden Wirkungen des Kontakts mit anderen Kulturen zu, zumeist der europäischen. Darüber hinaus waren (und sind) Funktionalismus bzw. Adaptivismus in der Anthropologie und Ethnologie weit verbreitet. Danach wird auch extrem unmoralischen Praktiken wie rituellen Vergewaltigungen, Kindesmord und Sklaverei eine positive gesellschaftliche Funktion unterstellt. Das Leid des einzelnen, der nicht selten mit dem Leben für diese Praktiken bezahlen muß, soll auf die eine oder andere, oft nicht näher beschriebene Weise das soziale Miteinander auf­rechter­halten. Dem führenden Funktionalisten der 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts, Bronisław Malinowski[wp], zufolge "...erfüllt jede Art Zivilisation, jeder Brauch, jedes materielle Objekt, jede Idee und jeder Glaube eine lebens­wichtige Funktion; sie hat irgendeine Aufgabe zu erfüllen und repräsentiert einen unverzichtbaren Teil innerhalb eines funktionierenden Ganzen."(5)

Daß solche kulturrelativistischen Vorstellungen nichts als "sentimentaler Unsinn"(6) sind, wird hoffentlich aus den nun folgenden Ausführungen ersichtlich. Die Beispiele sind dem Buch "Trügerische Paradiese - Der Mythos von den glücklichen Naturvölkern" von Robert B. Edgerton[ext] (7) entnommen.

Eine der großen Anklagen gegen die westliche Kultur ist, daß ihr der menschliche Zusammenhalt verloren­gegangen sei. Und natürlich stimmt dies insofern, als daß man in einer Stadt von vielen tausend Menschen nicht jeden persönlich kennen kann. Dagegen wird vermutet, daß kleine Stämme von Natur­völkern einen sehr starken Zusammenhalt besitzen und sich persönlich umeinander sorgen. Sicher mag dies in einigen Fällen zutreffen, ebenso wie es in einigen Gemeinden und Dörfern der westlichen Welt zutreffen mag. Aber es gibt auch eindeutig andere Beispiele.

Allan R. Holmberg[wp] lebte 1941 und 1942 mit den Sirionó[wp]-Indianern im bolivianischen Regenwald. Er war nach eigenen Angaben häufig verblüfft über den geringen sozialen Zusammenhalt, sogar unter Familien. So berichtete er von einer Begebenheit, als ein Mann allein auf die Jagd gegangen war und, von der Dunkelheit überrascht, den Weg zurück zum Lager nicht mehr fand. In großer Angst rief er wiederholt um Hilfe, aber seine Verwandten, die ihn im Lager hören konnten, antworteten nicht. Nach einer halben Stunde hörten die Rufe auf, woraufhin die Schwester des unglücklichen Jägers meinte: "Wahrscheinlich hat ihn ein Jaguar erwischt."(8) Tatsächlich überlebte der Mann jedoch, indem er die Nacht auf einem Baum verbrachte. Bei seiner Rückkehr am nächsten Morgen wurde er von niemandem empfangen. Anstatt glücklich über die Rückkehr ihres Bruders zu sein, beschwerte sich die Schwester noch darüber, daß er nur einen geringen Teil seiner Beute mit ihr teilen wollte.

Wie Holmberg weiter festhielt, war den Sirionó das Ergattern von Nahrung weitaus wichtiger als irgendwelche sozialen Praktiken, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt hätten fördern können. In unserer westlichen Gesellschaft hat das gemeinsame Mahl einen hohen Stellenwert und führt zu größerer sozialer Nähe. Die Sirionó aßen häufig allein im Wald und waren erfinderisch, was das Verbergen weiterer Nahrung betraf. So versteckten die Frauen mitunter Nahrung in der Vagina.

Die soziale Kälte der bolivianischen Eingeborenen erreichte ihren Höhepunkt in Verbindung mit kranken und alten Menschen. Betagte Stammes­angehörige, die Probleme hatten, dem nomadischen Lebensstil zu folgen, wurden ohne Erbarmen zurück­gelassen. Sie krochen der auf­brechenden Gruppe hinterher, bis sie kraftlos zusammen­brachen und allein im Wald starben. Das gleiche Schicksal drohte jedem, der so krank wurde, daß er der Gruppe bei ihren Wanderungen nicht mehr aus eigener Kraft folgen konnte. Natürlich führte dies zu panischer Angst davor, krank zu werden. Als wichtigstes Krankheits­symptom galt den Sirionó, daß jemand keinen Appetit mehr entwickelte. Wenn sich also jemand krank fühlte, aß er besonders viel, um vorzutäuschen, nicht krank zu sein. Das konnte soweit gehen, daß Kranke sich zwangen, solche Unmengen an sauren Früchten und ähnlichem zu verschlingen, daß sie letztlich daran starben.(9)

Ein anderes Beispiel für fehlenden sozialen Zusammenhalt stammt aus Afrika. Der berühmte Anthropologe Colin Turnbull[wp] war so entsetzt über das enthumanisierte, rücksichts­lose Verhalten der Ik[wp], daß er einem Beamten der ugandischen Regierung riet, sie mit Gewalt zusammen­zu­treiben und über das ganze Land zu zerstreuen. Es ging Turnbull nicht darum, die unter­ernährten Ik vor dem Hungertod zu bewahren. Vielmehr wollte er sicher­stellen, daß "ihre asoziale, lieblose Kultur zusammen mit ihnen ausstürbe und so nie mehr andere Menschen verderbe." (10)

Medizin

In der westlichen Welt, besonders in esoterischen[wp] Kreisen, ist das Bild des "weisen Schamanen"[wp] ein wichtiger Bestandteil des Mythos der harmonischen Naturvölker. In der Realität zeigt sich jedoch ein sehr trostloses Bild.

Wie viele andere Naturvölker besaßen auch die Sirionó[wp] keinerlei medizinisches Verständnis. Krankheiten wurden schlicht von bösen Geistern verursacht. Weder half man Kranken (sie lagen oft bei Regen ungeschützt im Freien) noch wurden irgendwelche Vorsichts­maßnahmen getroffen. Die Kinder durften in ihren eigenen Exkrementen spielen und man achtete auch nicht darauf, daß die Fäkalien vom Trinkwasser ferngehalten wurden.

Gerade der fehlende Schutz der Kinder ist bei vielen Naturvölkern zu beobachten. Afrikanische Hirten­völker wie die Massai[wp], die Pokot[wp] oder Samburu[wp] entfernen den Kindern grundsätzlich keine Fliegen von den Augen, weil Fliegen mit Rinderkot in Verbindung stehen und Rinder der größte Reichtum sind. Einige Kinder stecken sich so mit Granulose an, die von den Fliegen übertragen wird. Blindheit ist oft die Folge. Bilder von fliegen­befallenen Kinder­gesichtern werden in den westlichen Medien gerne als Indiz für die elenden Zustände in Teilen Afrikas verwendet. In Wahrheit liegen die Ursachen in einem quasi­religiösen Aber­glauben von der Heiligkeit der Kühe, des Kuhdungs und damit auch der Fliegen.

Die Yoruba[wp] in Nigeria verabreichten Kindern, die an Krämpfen litten, eine übel­riechende Mixture aus Tabak­blättern, Urin und manchmal noch Gin. Das Gebräu enthielt dermaßen viel Nikotin, daß die Kinder ins Koma fielen und nur gerettet werden konnten, da sie von den anwesenden Anthropologen in ein nahe gelegenes Krankenhaus nach westlichem Vorbild gebracht wurden.(11)

Bei den Pokot in Kenia bestand die "Behandlung" von Stammes­angehörigen, die an Psychosen litten, darin, daß sie zunächst mit Gewalt zu Boden gedrückt wurden. Dann schlug man ihnen mit einem recht großen Stein längere Zeit auf den Kopf. Diese wahrlich steinzeitliche Praxis forderte nicht wenige Leben.(12)

Auch die Serbei in Uganda standen Krankheiten absolut hilflos gegenüber. Wenn jemand an Kopf­schmerzen litt, wurde ihm eine rot­glühende Speerspitze auf die Stirn gedrückt. Die Kopf­schmerzen traten dadurch mit Sicherheit in den Hintergrund und wahrscheinlich machte kein Patient nach einer solchen Behandlung mehr den Fehler, sich über Kopf­schmerzen zu beschweren.

Die Netsilik-Inuit[wp] im Norden Kanadas glaubten, ein Säugling würde bei der Geburt einen giftigen Dampf absondern. Deshalb wurden Schwangere zur Geburt allein in ein Zelt gesperrt. Wenn es Komplikationen gab, rief man bestenfalls einen Medizinmann herbei, der versuchte, durch Beschwörungs­formeln böse Geister auszutreiben. Anfassen durfte er die Schwangere nicht.(13)

Insgesamt war und ist die Lebens­erwartung bei vielen Naturvölkern aufgrund fehlender Medizin sehr gering. Bei den berühmten Yanomami[wp]-Indianern in Venezuela erreichten lediglich 22 % der Bevölkerung das 30. Lebensjahr. Bei den Xavante[wp] in Brasilien waren es sogar nur 15,4 %.(14)

Wenn man seine Umwelt nicht versteht, wenn man nicht weiß, woher Krankheiten kommen, dann ist es vor allem Furcht, die das Leben bestimmt. Dem entsprechend antwortete ein "weiser Mann" der Iglulik[wp]-Inuit, der nach seinen Glaubens­vorstellungen befragt wurde: "Was wir glauben? Wir glauben nicht, wir fürchten uns nur."(15) Diese Furcht manifestiert sich, wie beispielsweise bei den Sirionó, in einem weit verbreiteten und tief verwurzelten Glauben an Dämonen, Hexen und Menschen mit dem "bösen Blick"[wp]. Es ist wohl kein Zufall, daß die wahnsinnige Verfolgung und Verbrennung von Hexen in Europa einherging mit der Verstädterung, die durch fehlende Hygiene zunächst viele Krankheiten nach sich zog. In Paris wurden Fäkalien noch bis ins 17. Jahrhundert einfach auf die Straßen gegossen. Die daraus resultierenden Erkrankungen wurden nicht mit diesen Praktiken in Verbindung gebracht, sondern auf Hexen und Magier geschoben. Erst der wissenschaftliche Fortschritt ermöglichte Verständnis und eine ordentliche Medizin. Viele Naturvölker sind davon weit entfernt. Manche mögen zwar durch Zufall auf ein Kraut gestossen sein, daß bei einer bestimmten Krankheit Linderung beschert, aber in der Regel sind die Angehörigen primitiver Völker von Dämonen- und Hexen­glauben besessen.

Bei den Gebusi in Papua-Neuguinea führte ein virulenter Hexenglaube beispielsweise dazu, daß diese kleine Gesellschaft eine der höchsten Mordraten weltweit besaß. Etwa ein Drittel aller Todesfälle waren Hinrichtungen von Hexen.(16) Der Aberglaube vieler Naturvölker kann noch viele weitere Formen annehmen. Die Skidi-Pawnee[wp]-Indianer in Nebraska brachten Menschen­opfer dar, um den heiligen Morgenstern gnädig zu stimmen. Das ging mindestens bis 1834 so, vielleicht sogar noch viel länger.(17)

Die Inuit[wp], die zwar sehr gute Technologien zum Überleben in ihrer harschen Umgebung entwickelt hatten, glaubten doch ganz fest an alle möglichen gefährlichen Ungeheuer und über­natürlichen Wesen. Dazu gehörten Meerjungfrauen, die Menschen erst verführten und dann töteten, riesige Vögel, die einen Erwachsenen davon­tragen konnten, gewaltige Fische, die Jäger mit einem Biß komplett verschlingen konnten. Dieser Aberglaube hielt sie beispielsweise davon ab, gute Fischgründe zu besuchen oder vorteilhafte Lagerplätze zu benutzen. Allerlei weitere Gespenster machten ihnen Angst. So genannte "wilde Babies" sollten nachts an bestimmten Orten auftauchen und Inuit, die dort schliefen, zu Tode kitzeln.

Kinder

Der Inuit-Glaube an gefährliche "wilde Babys" und giftige Dämpfe während der Geburt, und die Praxis der Massai, ihre Kinder nicht von Fliegen zu befreien, sind gute Beispiele dafür, welch gestörtes Verhältnis viele Eltern in Natur­völkern zu ihren Kindern haben.

Wir alle kennen die Bilder von schrecklich unter­ernährten Kleinkindern, z.B. aus Äthiopien. Da in westlichen Gesellschaften das Wohl der Kinder in der Regel sehr wichtig ist und Eltern eher selbst hungern, als daß sie ihre Kinder hungern sehen, glauben wir, wenn es den afrikanischen Kindern schon so schlecht geht, müsse es den Erwachsenen noch schlechter gehen. Aber das ist häufig nicht der Fall. In Äthiopien, wie in weiten Teilen Ostafrikas, ist es Sitte, daß das jüngste Kind nur das Essen bekommt, das der Vater, die Mutter, die älteren Kinder und die Gäste nicht auf­gegessen haben. Dort heißt es nicht, Kinder zuerst, sondern Männer, Gäste, Frauen und ältere Geschwister zuerst.(18) Natürlich bedeutet das nicht, daß es keinen Hunger unter Erwachsenen gibt. Aber die schockierenden Bilder, die manchmal im Fernsehen gezeigt werden und sicherlich im "kollektiven Bewußtsein" der westlichen Welt verankert sind, düften in vielen Fällen auf die Tatsache zurück­zu­führen sein, daß die jüngsten Kinder nur dann Nahrung bekommen, wenn mehr als genug für alle da ist.

Nicht nur in vielen Stammesgesellschaften Afrikas stehen Kleinkinder an letzter Stelle der sozialen Rangfolge. Kindesmord war eine weit­verbreitete Praxis überall auf der Welt. Bei den Yanomami-Indianern gab es eine Regel, wonach es einer Frau vom Zeitpunkt der Entdeckung ihrer Schwangerschaft bis zur Entwöhnung des Kindes verboten war, mit einem Mann Sex zu haben. Anstatt aber diese lange Zeit abzuwarten oder das Tabu aufzugeben, töteten manche Paare ihre Säuglinge, um danach wieder gesellschaftlich abgesegneten Sex haben zu können.(19) Dies führte dazu, daß bei den Yanomami unglaubliche 43 % aller weiblichen Kinder das erste Lebensjahr nicht überlebten.(20)

Die Ijaw[wp] in Nigeria, die sich zwar mehr Kinder wünschten, töteten jedoch grundsätzlich alle Zwillinge, selbst noch, als die britische Regierung dies als Mord einstufte und unter Strafe stellte. Auf die Frage, warum sie Zwillinge töten würden, antworteten die Ijaw: "Weil unsere Vorfahren es schon so gemacht haben."(21)

Frauen

Hilflosen Menschen in Stammesgesellschaften - Alten, Kranken, Kindern - ergeht es häufig besonders schlecht. Aber auch Frauen werden im allgemeinen durch die körperlich über­legenen Männer unter­drückt. Noch relativ gesittet ging es bei den Tasmaniern zu, die im 18. Jahrhundert zum erstenmal in Kontakt mit Europäern gerieten. Sie lebten in kleinen Stämmen von 40 bis 50 Menschen und ernährten sich hauptsächlich von Schalentiere und, in geringerem Maße, von der Jagd auf Waldtiere. Dabei war es so, daß praktisch alle Tätigkeiten, besonders aber die gefährlichsten, den Frauen zufielen. Die Männer blieben im Lager und unterhielten sich angeregt, während die Frauen Wasser und Feuerholz heran­schleppen mußten.

Das lebensgefährliche Tauchen nach Schalentieren wurde ebenfalls ausschließlich von Frauen übernommen, wobei sie mit scharf­kantigen Felsen, un­berechenbaren Strömungen und giftigen Stachel­rochen zu kämpfen hatten. Sie erschlugen auch Opposums und schwammen an schlafende Seehunde heran, um sie mit primitiven Holz­keulen zu erlegen. Wenn die Männer auf die Jagd gingen, dann um daran Spaß zu haben. Sie stellten Kängurus und Wallabys nach, die keinerlei Gefahr bedeuteten.

Trotz ihrer überragenden wirtschaftlichen Bedeutungen wurden die Frauen von den Männern schlecht behandelt, z.B. dadurch, daß man ihnen wohl­schmeckende Nahrung vorenthielt. Im Winter, wenn das Nahrungs­angebot zurückging, standen die Tasmanier oft kurz vor dem Hundertod. Dennoch weigerten sich die Männer, entscheidend an der Nahrungs­beschaffung mitzuwirken. Das ganze Dilemma wurde noch durch die irrationale Weigerung verstärkt, Fische zu verzehren, die es in Massen in den umliegenden Gewässern gab. Als den Tasmaniern von Europäern gekochter Fisch angeboten wurde, lehnten sie angeekelt ab.(22) So wenig sie mit dem angebotenen Fisch anfangen konnten, so begeistert waren sie doch von den Hunden, die die Europäer mitgebracht hatten. Gerne tauschten sie ihre Frauen gegen Hunde, was natürlich zu weiteren wirtschaftlichen und sozialen Problemen führte. Jeder Stamm sah sich gezwungen, von Nachbar­stämmen Frauen zu stehlen, was zu mörderischen Stammes­fehden führte.

Insgesamt waren die Tasmanier alles andere als gut angepaßt an ihre Umgebung. Sie bauten keine Hütten und besaßen keine Kleidung, so daß sie im Winter nicht nur hungerten, sondern auch ganz erbärmlich froren. Sie konnten nicht einmal selbst Feuer machen. Irgendein Mitglied des Stammes mußte ständig ein Stück brennendes Holz mit sich herum­tragen. Natürlich erkrankten sie häufig, aber auch in Sachen Medizin waren sie hoffnungslos primitiv. Ihre wichtigste "Behandlungs­methode" bestand darin, den Patienten aus­zu­peitschen, bis dieser völlig blut­überströmt und entkräftet war. Bevor die Europäer kamen, verhinderte allein die völlige Isolation der Tasmanier die Auflösung der Stammes­gesell­schaften. Aber einmal in Kontakt mit einer anderen Kultur gekommen, brach die tasmanische Gesellschaft in kürzester Zeit zusammen.

Die tasmanischen Männer waren nicht die einzigen, die Frauen bessere Nahrung vor­enthielten. Den Inuit der Hudson Bay galt gekochtes Fleisch traditionell als "Männer­essen, das zu gut für Frauen" war.(23) Bei den Fore[wp] auf Papua-Neuguinea führte das Vor­enthalten von Tierfleisch dazu, daß die Frauen und Kinder in ihrer Not das Fleisch verstorbener Verwandter aßen. Hierdurch erkrankten sie nicht selten an "kuru", einer tödlichen Virus­erkrankung, die durch Kannibalismus[wp] übertragen wird.(24)

Wenn es nicht um Nahrung ging, ging es meist um Sex. Die Männer der Mehinaku[wp]-Indianer in Brasilien drohten ihren Frauen regelmäßig Gruppen­vergewaltigungen an.(25) Bei den Gusii[wp] in Kenia war die Vergewaltigung nicht nur eine Drohung, sondern praktisch institutionalisiert. In der Hochzeits­nacht war es Brauch für die Frau, sich ihrem Bräutigam durch verschiedenste Tricks zu wider­setzen. Dazu gehörte auch das Verknoten der Scham­behaarung über der Vagina. Vor der Tür standen jedoch die Freunde des Bräutigams bereit, die irgendwann einschritten, die Braut festhielten und ihre Beine mit Gewalt spreizten. Die traditionelle Aufgabe des Bräutigams bestand dann darin, den Geschlechts­verkehr mindestens sechsmal in der einen Nacht zu wieder­holen, wobei er der Frau so viele Schmerzen wie möglich zufügen sollte.(26) Insgesamt gab es bei den Gusii[wp] eine viermal höhere Vergewaltigungs­rate als zur gleichen Zeit in den USA. 1950 wurden so viele Männer wegen Vergewaltigung verurteilt, daß es nicht genug Gefängnis­zellen gab.

Man kann sich leicht vorstellen, was für eine Atmosphäre des Hasses und Mißtrauens zwischen Männern und Frauen in solchen Gesellschaften herrschen muß. Bei den Pokot[wp] in Kenia aßen die Männer grundsätzlich keine Speisen, die von einer ihrer Frauen zubereitet worden waren, da sie Angst hatten, vergiftet zu werden. Ähnliches gab es auch bei den Kamba[wp] und den Sebei in Uganda.(27)

Durch die sozialen Spannungen zwischen den Geschlechtern, das weitgehende Desinteresse am Wohl der eigenen Kinder und älterer Menschen, und durch die vielen unbewältigten Probleme, was Nahrungs­beschaffung, Medizin und Unterkunft anging, gab es bei vielen Natur­völkern große Probleme mit Depressionen und Selbstmord. Bei den Bimin-Kuskusmin[wp] in Papua-Neuguinea stellte der Anthropologe F. P. Poole eine Selbstmord­quote von 10 % für die letzten sechs Generationen fest. Er selbst beobachtete in der kurzen Zeit, die er mit den Bimin-Kuskusmin lebte, daß von 58 Todesfällen 30 auf Selbstmord zurückzuführen waren. Das sind 57 %. Die Anzahl an Selbstmord­drohungen und gescheiterten Versuchen war ebenfalls enorm hoch. 67 Frauen drohten 93mal ernsthaft mit Selbstmord.(28)

Weitere Formen der Gewalt

Zum Mythos der harmonischen Naturvölker gehört in vielen Fällen auch die Unterstellung von Pazifismus und einem generell großen Mitgefühl für alles Lebendige. Wenn jedoch Alte und Kranke gnadenlos zurück­gelassen werden, wenn Menschen geopfert werden, um Geister und Dämonen zu vertreiben, wenn Frauen vergewaltigt werden, wenn Kinder gequält und ermordet werden, dann wird es kaum überraschen, bei Natur­völkern auch all die anderen schrecklichen Praktiken zu entdecken, die gerne der modernen Zivilisation zu­geschrieben werden.

Die Inuit ermutigten ihre Kinder zum Beispiel, kleine Tiere und Vögel zu Tode zu quälen. Die Erwachsenen wurden oft dabei beobachtet, wie sie tödlich verwundete Tiere verhöhnten und schlugen.(29) Nicht besser erging es ihren eigenen Hunden, die sich beim Ziehen der Schlitten verletzt hatten. Bevor sie zum Sterben zurück­gelassen wurden, malträtierte man sie erbarmungslos mit Tritten und Peitschen­hieben.(30)

Die Mbuti[wp] im Kongo gingen nicht besser mit ihren Hunden um, auf die sie, wie die Inuit, bei der Jagd angewiesen waren. Vom ersten Tag als Welpe bis zum Tod wurden die Hunde ständig getreten. Colin Turnbull war regelrecht entsetzt, als er sah, mit welchem Vergnügen die Mbuti den qualvollen Todes­kampf verwundeter Tiere beobachteten.(31)

Die Machiguenga[wp]-Indianer im peruanischen Amazonas­gebiet rieben ihren Jagdhunden Chili-Schoten in die Schnauze und zwangen sie dann, diese herunter­zu­schlucken. Und zwar "...eher zum Spaß, den sie daraus bezogen, daß sie zusahen, wie die Tiere aufheulten, wie verrückt umherliefen und sich in Qualen wanden, als zur Vorbereitung auf die Jagd."(32)

Wie schon bei der Hexenjagd, die in den vor­wissen­schaftlichen Gesellschaften Europas weit verbreitet war, und die ebenfalls bei vielen Natur­völkern beobachtet werden konnte, so war es auch mit Kriegen und Sklaven­haltung. Die Chumash[wp]-Indianer Kaliforniens hatten nicht nur soziale Klassen, die auf einem ausgefeilten Muschel­geld­system beruhten, sondern auch rechtlose Sklaven. Ebenso die Kwakiutl[wp]-Indianer von Vancouver-Island. Bei ihnen machten die Sklaven bis zu 15 % der gesamten Bevölkerung aus. Alle Sklaven waren dort das Eigentum der Häuptlinge.

In vielen romantisch verklärenden Darstellungen werden die Häuptlinge primitiver Gesellschaften als weise, gutherzige Anführer portraitiert, denen am Wohl ihrer Untertanen gelegen ist. In Wahrheit beruhten die proto-politischen Systeme vieler Stämme auf brutaler Gewalt, "sie Schreckens­regime zu nenne, wäre gar nicht so falsch".(33) Bemba[wp]-Häuptlinge in Simbabwe nahmen an ihren Untertanen beispielsweise "wüste Verstümmelungen" vor, einfach nur, weil sie das Gefühl hatten, verbal beleidigt worden zu sein.(34) Unter der Führung des berühmten Shaka zeigten die mächtigen Zulu[wp]-Armeen keine Gnade mit unterlegenen Stämmen. Sie töteten Frauen und Kinder ohne Rücksicht. So zogen die Zulu 1826 gegen die Ndwandwe[wp] in den Krieg. Nach nur eineinhalb Stunden war das Gemetzel vorbei. 40.000 Männer, Frauen und Kinder waren abgeschlachtet worden. Umliegende Stämme flohen in Todesangst und so gab es weite Landstriche um das Zulureich, die völlig entvölkert waren.

Shaka benutzte brutalsten Terror auch gegen die eigene Bevölkerung. Seine Henker folgten ihm überall hin und er brauchte nur einen Finger krumm zu machen, um jemanden zum Tode zu verurteilen. Dem Opfer wurde der Schädel eingeschlagen oder das Genick gebrochen. Dann schlugen die Soldaten wie verrückt auf den Körper ein und was übrigblieb, spießten sie auf einen Pfahl auf, der durch den Anus getrieben wurde.(35) Ein westlicher Beobachter wurde Zeuge, wie Shaka sechs Kinder, die noch keine zwölf Jahre alt waren, hinrichten ließ. Diese Greueltaten waren eine tägliche Praxis am Hof Shakas.(36)

Nachdem seine Mutter gestorben war, erließ Shaka Befehle, die zum Tod von etwa 7000 Menschen führten. Nicht nur wurden zehn Mägde der Mutter lebendig mit dem Leichnam begraben. Shaka ließ auch alle Schwangeren des Königreichs töten. Nach all dem Morden verkündete er eine Fastenzeit im Andenken an seine Mutter. Für ein Vierteljahr durfte weder Getreide geerntet, noch Milch getrunken werden, noch durfte irgend jemand Sex haben. Diese Anweisungen führten schließlich zur Rebellion der Zulu, die die zehn­jährige Terror­herrschaft Shakas beendete.

Gerade in Afrika kam es im 19. und 20. Jahrhundert zu großem Blut­vergießen. Daran waren die europäischen Kolonial­truppen natürlich alles andere als unschuldig. Aber auch der Aberglaube vieler Natur­völker und das blinde Vertrauen auf selbst­ernannte Propheten erwiesen sich in vielen Fällen als fatal. 1905 kam es in Tansania zum so genannten Maji-Maji-Aufstand[wp] (Suaheli für "Wasser, Wasser") der ansässigen Stämme gegen die rücksichts­losen deutschen Kolonial­truppen. Ein Prophet hatte verkündet, die Kugeln der Deutschen würden sich vor dem Aufprall in Wasser verwandeln. Im festen Glauben an die Richtigkeit dieser Prophezeiung kamen Abertausende von Kriegern im Maschinen­gewehr­feuer der Deutschen um.(37)

Kriege waren nicht nur bei großen Stämmen wie den Zulu verbreitet. Auch kleine Gesellschaften führten mitunter durchgängig Krieg gegen ihre Nachbarn. Die Mae Enge in Papua-Neuguinea befanden sich in einem Dauerzustand des Kriegs um Ackerland mit ihren Nachbarn. 25 % aller Todesfälle der männlichen Bevölkerung waren direkte Folge der Kriegs­handlungen. Zusätzlich herrschte ein Klima ständiger Angst vor erneuten Angriffen.

Als der angesehene Sozial­anthropologe Edward E. Evans-Pritchard[wp] 1940 die Nuer[wp] im Sudan beschrieb, stellte er fest, daß sie keinerlei soziale Mittel entwickelt hatten, um Streitereien friedlich beizulegen. Laut Evans-Pritchard sagten die Nuer selbst, daß "eine Fehde niemals ende".(38) Ständige Vergeltungen bis hin zum Mord waren normal.

Die Tonkawa[wp] in Texas waren, wie viele amerikanische Indianer­stämme, Kannibalen. Ihr Appetit auf Menschen­fleisch war so groß, daß sich sechs terrorisierte Nachbar­stämme, die eigentlich nichts miteinander zu tun hatten, allein durch ihren Haß auf die Tonkawa vereinten, und 1862 die Hälfte der Tonkawa töteten.

Azteken

Und über den weitverbreiteten Kannibalismus kommen wir zu den Azteken[wp] Mittel­amerikas, denen in Neil Youngs Song all die harmonischen Mythen angedichtet werden, die sich seit Jahrhunderten hartnäckig in der westlichen Gesellschaft halten. In Wahrheit waren die Azteken ein zutiefst grausames Volk mit einigen der widerlichsten Praktiken, die es je in menschlichen Gesellschaften gegeben hat. Das Reich war eine Theokratie, mit einem allmächtigen Gottkönig an der Spitze und einer kleinen Elite aus Priestern und Generälen darunter. Durch ständige Überfälle auf benachbarte Gesellschaften und daraus resultierende Tribut­zahlungen und Plünderungen häufte die Militär­elite eine große Menge Reichtum an, die jedoch nicht mit der allgemeinen Bevölkerung geteilt wurde. In dieser Praxis unterschieden sich die Azteken natürlich nicht von vielen anderen Gesellschaften aller Zeiten.

Was die Azteken einzigartig machte, war ihr unersättlicher Hunger auf Menschen­fleisch. Es wird geschätzt, daß zwischen 15.000 und 250.000 Menschen jährlich im "kannibalistischen Königreich"(39) der Azteken ermordet wurden, indem ihnen die Priester bei lebendigem Leibe das Herz aus der Brust rissen. Man kann von einer richtigen Industrie des Menschen­mordens sprechen. Edgerton beschreibt den Ablauf in seinem Buch folgender­maßen: "Die Leichname der Geopferten wurden die Tempel­stufen hinabgerollt (die wahrscheinlich so steil waren, um diesen Vorgang zu ermöglichen), wo sie von Männern in Empfang genommen wurden, die sie so geschickt und leiden­schafts­los zerlegten, wie jeder Schlachter es mit einer Rinderhälfte tun würde, ehe die verschiedenen Teile davon­getragen, gewürzt, gekocht und mit großem Genuß verspeist wurden. Das Verlangen nach Menschen­fleisch war so groß, daß viele Kriege aus keinem anderen Grund geführt wurden als dem, Gefangene zu machen, und im Grunde führte man ununterbrochen militärische Einsätze gegen benachbarte Gesellschaften durch."(40) Darüber hinaus wurden gefangene Kinder nicht selten in Käfige gesperrt und dort einem erbärmlichen Hungertod über­lassen.

Die Ruinen der Pyramiden­tempel, die heute als Touristen­magnete dienen, sind stein­gewordene Zeugnisse eines grausamen und aggressiven Naturvolkes, das seine Größe nur dadurch erreichen konnte, daß es die Angehörigen von Nachbar­völkern zu Tausenden ermordete und als Nahrung benutzte. Cortés, der mit nur 500 Männern in Mexiko gelandet war, hätte die Azteken niemals besiegen können, wenn sich die um­liegenden Stämme, die so schrecklich von den Azteken tyrannisiert worden waren, nicht mit größter Bereit­willigkeit am Kampf gegen dieses blut­rünstige Volk beteiligt hätten.

Die völlig realitätsferne, romantische Verklärung, die in Songs wie "Cortez the Killer", in Filmen wie "Avatar" oder "Der mit dem Wolf tanzt", in allen möglichen esoterischen Kreisen und bei vielen Umwelt­aktivisten zu entdeckten ist, zeigt deutlich, wie weit der Kulturrelativismus[wp] fort­geschritten ist. Die eigene Kultur wird als schlimmstes Übel angesehen, während die horrenden Zustände in anderen Gesellschaften aus­geblendet werden. Zum einen behindert eine solche Haltung die Verbreitung positiver Errungenschaften der westlichen Welt, wie Rationalität[wp], Individuation und Wissenschaft. Zum anderen macht sie aber auch blind für die wahren Wurzeln der Probleme der eigenen Kultur.


Die hier vorgestellten Beispiele treffen natürlich nicht alle auf alle Gesellschaften zu. Ein bestimmtes Naturvolk mag weitaus fried­liebender sein als ein anderes. Aber alle haben mit sozialen Konflikten zu kämpfen, die denen der westlichen Zivilisation in nichts nach­stehen. Im Gegenteil, in den meisten Fällen sind Mord- und Vergewaltigungs­raten viel höher als im Westen, sind massive Depressionen bis hin zum Selbstmord keine Seltenheit. Weder sind die einzelnen Angehörigen von Natur­völkern glücklicher als Menschen im Westen, noch leben sie als Gesellschaften insgesamt harmonischer.

Quellen:

(1) Originaltext von www.lyricsfreak.com; Übersetzung ins Deutsche durch den Autor
(2) Vgl. R. Wockler, Perfectible Apes In Decadent Cultures: Rousseau's Anthropology Revisited (1978), S. 107-134
(3) J. Belo, The Balinese Temper (1935), S. 120-146
(4) R. Fox, The Violent Imagination (1990), S. 3
(5) B. Malinowski, "Anthropology"-Eintrag in der Encyclopaedia Britannica (1936), S. 132
(6) G. P. Murdock, Culture and Society (1965), S. 146
(7) R. B. Edgerton, Trügerische Paradiese - Der Mythos von den glücklichen Naturvölkern (1994), Ernst-Kabel-Verlag
(8) A. R. Holmberg, Nomads of the Long Bow: The Sirionó of Eastern Bolivia (1969), S. 160
(9) ibd., S. 229
(10) R. B. Edgerton, Trügerische Paradiese (1994), S. 16
(11) V. MacLean, Magical Medicine. A Nigerian Case-Study (1971), S. 84
(12) R. B. Edgerton, A Traditional African Psychiatrist (1971)
(13) K. Rasmussen, The Netsilik Eskimos (1931)
(14) R. Wirsing, The Health of Traditional Societies and the Effects of Acculturation (1985), S. 305
(15) zit. nach Hoebel (1954), S. 70
(16) B. M. Knauft, Good Company and Violence: Sorcery and Social Action in a Lowland New Guinea Society (1985)
(17) G. E. Hyde, The Pawnee Indians (1974)
(18) R. B. Edgerton, Trügerische Paradiese, S. 154
(19) N. A. Chagnon, Yanomami Warfare, Social Organization and Marriage Alliances (1967), S. 53ff
(20) R. Wirsing, The Health of Traditional Societies and the Effects of Acculturation (1985), S. 305
(21) P. E. Leis, The Nonfunctional Attributes of Twin Infanticide in the Niger Delta (1965)
(22) R. M. Jones, Why did the Tasmanians Stop Eating Fish? (1978)
(23) P. Freuchen, Der Eskimo (1982), S. 97
(24) S. Lindenbaum, Kuru Sorcery: Disease and Danger in the New Guinea Highlands (1979)
(25) T. Gregor, Male Dominance and Sexual Coercion (1990)
(26) R. A. LeVine, Gusii Sex Offenses: A Study in Social Control (1959), S. 965-990
(27) R. B. Edgerton, A Traditional African Psychiatrist (1971)
(28) F. P. Poole, Among the Boughs of the Hanging Tree. Male Suicide Among the Bimin-Kuskusmin of Papua New Guinea (1985)
(29) N. H. H. Graburn, Severe Child Abuse Among the Canadian Inuit (1987)
(30) ibd.
(31) C. Turnbull, The Forrest People (1961), S. 101
(32) M. Baksh, Cultural Ecology and Change of the Machiguenga Indians of the Peruvian Amazon (1984), S. 99
(33) R. B. Edgerton, Trügerische Paradiese, S. 123
(34) A. I. Richards, The Political System of the Bemba Tribe - North-eastern Rhodesia (1940)
(35) R. B. Edgerton, Trügerische Paradiese, S. 126
(36) N. Isaacs, Travels and Adventures in Eastern Africa Descriptive of the Zoolus, Their Manners, Customs (1970), S. 62
(37) J. Iliffe, A Modern History of Tanganyika (1979)
(38) E. E. Evans-Pritchard, The Nuer: A Description of the Modes of Livelihood and Political Institutions of a Nilotic People (1940)
(39) M. Harner, The Ecological Basis for Aztec Sacrifice (1977)
(40) R. B. Edgerton, Trügerische Paradiese, S. 126

Einzelnachweise

  1. Lutz Huth; Michael Krzeminski: Repräsentation in Politik, Medien und Gesellschaft. Königshausen & Neumann, 2007 ISBN 3-8260-3626-3, S. 230 ff.
  2. WikipediaEdler Wilder
  3. Dushan Wegner: Deine Meinung ist Hass, und Hass ist keine Meinung, AchGut-Blog am 27. März 2018 (Im Fernsehen wird der Mangel an Meinungsfreiheit kritisiert, also der Mangel in Russland und China, nicht der in Deutschland. Logisch, warum sollte man auch? In Deutschland herrscht Meinungsfreiheit und keine Zensur, und wenn dem anders wäre, würde das Fernsehen uns zeitnah davon berichten, und wer was anderes sagt, der bekommt Ärger. [...] Die meisten Menschen fliehen vor kognitiver Dissonanz, der gleichzeitigen Wahrnehmung inkompatibler Wahrheit. Einige aber, nicht viele, reagieren ganz anders, und sie sind angesichts eines ordentlichen Paradoxes glücklich wie ein Kind im Bonbonladen.)
    Es ist kompliziert, Dushan-Wegner-Blog am 21. März 2018

Netzverweise

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Der Mythos von den harmonischen Naturvölkern von ViaVeto, 27. Juli 2011.